Hilfeschrei Nr. 2

Hilfeschrei Nr. 2

Die Fragen aus „Herausforderungen vs. Probleme“ sind offen geblieben und beschäftigen mich den gesamten Sommer 2015.

Die regelmäßigen Besuche in der Klinik, zu sehen, wie meine Mutter immer mehr aufquillt, runtertemperiert wird, zerren an meinem Nervenkostüm.

Dann der plötzliche Fortschritt… sie wird aus dem Koma geholt und landet in der Reha…
Es ist sicherlich hart zu verstehen, aber ich habe damit ein echtes Problem.
Ich kann mich nicht darüber freuen…

WARUM?

Die taffe, selbstbewusste Frau, die mich großgezogen hat, gibt es nicht mehr. Nur eine Frau, die ein Leben weiterführt, das sie in der Form nie wollte.

Die Gedanken kreisen ständig um dieses Thema. Ich kann nicht abschalten, versuche immer mehr durch Sport zu kompensieren, doch auch das ist nur noch anstrengend.

Ich bekomme vermehrt Panikattacken… Die kenne ich… Da weiß ich, wie ich mit umgehen kann…

…doch sie kommen immer öfter… immer stärker… immer wieder…

Ich habe keine Lust mehr aufzustehen.

Mein Antrieb…

Meine Energie…

Meine Entscheidungsfreude…

Meine Motivation…

…weg!!!

Eine Entscheidung steht noch an. Der seit langem geplante Kurzurlaub auf Juist. Fahren oder nicht? Ich will gerne weg… Abstand vom Alltag bekommen… Was anderes zu sehen… Wir fahren!

Der Tag der Reise ist da. Ich fühle mich nicht in der Lage die Koffer zu packen. Es fällt mir sehr schwer.

Zweifel und Lustlosigkeit machen sich in mir breit… Doch!… Meine Frau fährt die ganze Strecke weil ich nicht in der Lage bin. Dann der Schock…

Ich bekomme Angst, Angst aus dem fahrenden Auto zu springen. Einfach die Tür zu öffnen und raus…

Was ist los mit mir???

Ich kralle mich in den Beifahrersitz und halte mich krampfhaft fest, um mir nichts anzutun… Irgendwann ist es vorbei und ich bin nur froh lebendige an der Fähre zu sein…

Die Tage auf Juist waren durchwachsen, wie das Wetter auf der Insel und meine Stimmung.

Mal fühle ich mich gut… mal am Boden zerstört… mit Heulattacken am Strand. Und immer noch dazu das schlechte Gewissen, den lang ersehnten Urlaub zu versauen. Aber meine Frau ist in den Tagen der wichtigste halt für mich.

Der Weg nachhause ist etwas besser. Gezeichnet von der Angst vor der Angst!

Alles wird gut!…. Bestimmt!

Immer wieder empfehlen mir Freunde professionelle Hilfe zu holen und in einen stationären Klinikaufenthalt zu gehen.

Ich sträube mich dagegen… Ich bekomme das hin… Habe es schon mal geschafft… Und außerdem bin ich kein Psycho… Das Bild von mir, in einer Zwangsjacke in einem kalten Raum, macht mir Angst… Schließlich sind Psychiatrien wirklich verpönt… Aber ist es die einzige Lösung?

Ich werde zum Künstler im Verdrängen und Entscheidungen aussitzen… doch irgendwann ist es meiner Seele zuviel…

Es ist Samstag, Ende Oktober. Wir holen Holz für den Kamin und ich habe den gesamten Tag Panikattacken. Mal länger… mal kürzer… mal stärker… mal schwächer… irgendwann nachmittags kommt ganz kurz ein seltsamer Gedanke: „Du schaffst das nicht alleine, pass auf dich auf, dass Du Dir nichts antust!“.

Ich bekomme Angst, aber es ist ja nur ein Gedanke, der schnell beiseite geschoben wird. Der Tag geht weiter, es ist genug zu tun.

Am Abend versuche ich zu entspannen… gemütlich in der Badewanne liegen… leckeres Essen… Rotwein… gemütliches Fernsehen. „Joko gegen Klaas“…Einer von beiden musste in eine Goldmine, hunderte Meter unter die Erde, umGold aus dem Stein zu sprengen.

Ich steigere mich total in die Situation des Goldsprengers hinein… eine Panikattacke… die bekomme ich nicht in den Griff… ich schalte um…

…BESSER…

In meinem Kopf: Fragen über Fragen. Warum passiert das alles?

…Keine Antwort…

Gegen 22:30 Uhr liege ich im Bett, die Gedanken drehen sich… Panikattacken kommen… Atemübungen… helfen nicht…

Die Panikattacke wurde immer schlimmer… Ich weiß, jede Panikattacke geht vorbei… diese fühlt sich anders an… und es passieren andere Dinge… Herzrasen, Schwindel, Durchfall, Angst zu Sterben… alles zusammen… ich liege mittlerweile zitternd auf dem Boden im Wohnzimmer… Wir rufen den Notarzt…

… Panikattacke weg…

Wie ich so in den Armen meiner Frau liege und in ihre hilflosen, fragenden Augen schaue, weiß ich: „Ich schaffe das nicht alleine. Ich brauche Hilfe. Schnell!“

Die Notärztin ist da. Warum? Es ist ja Alles gut. Meine Vitalzeichen sind normal. Ich will Hilfe!
„Ich kann Sie jetzt mitnehmen, dann kommen Sie in die psychiatrische Notaufnahme. Aber ich weiß nicht, ob das die richtige Anlaufstelle für Sie ist. Dort werden Sie definitiv komplett platt gemacht und dann wieder aufgepäppelten.“, erklärt mir die Ärztin.
„Oder sie halten morgen noch durch, und suchen sich eine Klinik ihrer Wahl aus.“, schlägt sie vor.

Platt machen?… Aufpäppeln?… meine Angst wird mehr… Ich entschließe mich, den Sonntag mit Beruhigungsmitteln zu überstehen und mir eine Klinik zu suchen, die mich schnell aufnehmen kann.

Es gibt viele psychosomatische Kliniken. Ruft mal sonntags dort an und bittet um Akutaufnahme.

Kliniken haben keinen Platz, Kliniken bestätigen einen Platz nur, wenn man sofort eine Kostenübernahmebestätigung der Krankenkasse schickt… Sonntags?…

Ich verstehe die Welt nicht mehr? Doch dann der Lichtblick…

Anruf bei der Zentrale… Weiterleitung zum diensthabenden Arzt… „Selbstverständlich helfen wir Ihnen und können Sie kommen.“

Erleichterung macht sich in mir breit… Keine Formalitäten, für die ich gar keinen Kopf habe… Einfach nur das, was ich in diesem Moment brauche… HILFE…

Die Rhein-Jura Klinik in Bad Säckingen (www.Rhein-Jura-Klinik.de) wird mir helfen, damit ich mein Leben wieder leben kann.

In mir herrscht absolutes Gefühlchaos. Ich weiß, dass ich Hilfe brauche… Freue mich, dass es so schnell und unkompliziert klappt… ABER… Ich habe wahnsinnige Angst, was kommt auf mich zu?… Ich bin doch kein Psycho!… Ich will das alles nicht!

Es gibt aber keine andere Chance…

Euer Frank

2 Gedanken zu „Hilfeschrei Nr. 2

  1. Hallo Frank,Deinen Leidensweg nur zu lesen löst in mir Beklemmungen aus. Aber vielleicht muss der Körper so heftig reagieren, je intensiver wir weghören. Du hast , Gott sei Dank,eine tapfere Frau, die Dich auf Deinem wilden Weg begleitet hat. Elke.

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